Eva gewinnt Kitzbüheler Radmarathon 2023

Rennbericht von Eva Schien

Ein nicht perfekter Renntag, der mich auf vielfache Weise gefordert und sprachlos gemacht hat. Doch von Anfang an:

Nach einer eher kurzen Nacht – der Wecker klingelte bereits um 4:10 Uhr – begab ich mich zum Start in die Kitzbüheler Innenstadt. Für rund 1100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hieß es um 6:30 Uhr 216 km und 4600 Höhenmeter zu bewältigen.

Eva beim Start


Wobei einige sich davon entschieden, das Ziel in der Altstadt anzusteuern und damit den anspruchsvollen Schlussanstieg von etwa 800 Höhenmetern auf das berühmte Kitzbüheler Horn zu umgehen. Das Wetter lies mit Regen und Nebel zu diesem Zeitpunkt schon zu wünschen übrig. Einzig die zweistelligen Temperaturen boten etwas Positives.

Gleich zu Beginn wartete der Anstieg zum Pass Thurn auf uns. Ich reihte mich unter den besten Damen ein und versuchte, das Tempo am Berg mitzubestimmen. Doch auch die anderen Damen schienen in bester Form zu sein, was mich an einen Sieg noch nicht recht glauben ließ. In einer größeren Gruppe gelangen wir recht schnell zum nächsten Pass. Zum Glück kannte ich den Gerlospass bereits von einem Trainingswochenende im Mai. Gleich am Anfang merkte ich, dass das Tempo der anderen Damen am Berg für mich zu langsam war. So überholte ich sie und fand auf dem Weg zum Pass eine passende Gruppe. Dies zwang mich allerdings, oberhalb meines "Komfortbereichs" zu fahren, was zu einem ersten Missgeschick führte. Meine erste Verpflegung war am Gerlospass von Alex angedacht. Doch wegen meiner Konzentration auf die Gruppe und dem miserablen Wetter oben auf dem Pass übersah ich Alex und fuhr mit zu hoher Geschwindigkeit an ihm vorbei.

Sein Gesicht, als wir die Situation realisierten, wird mir wohl für immer in Erinnerung bleiben und sorgte im Ziel für einen „Lacher“. Einen Moment ärgerte ich mich, in der Hoffnung, dass meine Energiereserven bis Kilometer 120 reichen würden. Dort sollte ich von meinem Bruder weitere Flaschen mit Kohlenhydrate aufnehmen können. Die Abfahrt vom Gerlospass im starken Regen verlangte mir alles ab. Höchste Konzentration, angepasstes Tempo und dennoch die Gruppe nicht aus den Augen verlieren. Zum Glück gelang es mir und ich hatte auf dem Weg zum Inntal eine Gruppe mit ca. 20 Fahrern. Allerdings hatte ich in dieser Gruppe keinen „Frauenbonus“ und musste auch einige km vorne im Wind mitfahren.

Nach einer kurzen Pause an einem Bahnübergang wartete der 600 Höhenmeter lange Anstieg zum Kerschbaumer Sattel auf uns. Der Aufstieg fühlte sich ebenfalls großartig an. Doch dann wurde es ernst. In der ersten Kurve der Abfahrt stürzte ein Fahrer vor mir, wodurch auch ich bremsen musste. Die nasse Straße war so glatt, dass meine Reifen wegrutschten und ich auf dem Asphalt entlangschlitterte, bis ich die Leitplanke an meinem Rücken spürte. Völlig geschockt stand ich auf und sah, dass der andere Athlet schwer verletzt am Boden lag. Glücklicherweise kam kurz darauf ein Auto vorbei, dessen Fahrer sofort die Rettung alarmieren konnte. Nachdem ich mir sicher war, dass Hilfe für ihn unterwegs ist, überprüfte ich kurz mein Rad, richtete den Lenker wieder aus und stieg auf. Die restliche Abfahrt bewältigte ich so vorsichtig wie noch nie zuvor. In fast jeder Kurve lag ein Fahrer im Straßengraben. Eine derart rutschige Abfahrt hatte ich selten erlebt. Ich fuhr allein weiter, in der Hoffnung, dass mein Bruder mir bald eine Flasche reichen würde und ich möglicherweise dort aussteigen könnte. Nach kurzer Zeit überholte mich ein Fahrer, der bereits zuvor in meiner Gruppe gewesen war. Wir sprachen kurz über den Unfall, er sprach mir gut zu und begleitete mich die nächsten 40 km. Zusammen arbeiten wir uns den nächsten Anstieg hoch und gelangten sogar wieder in eine größere Gruppe. Bei den Abfahrten wurde dann immer auf mich „gewartet“ und schwierige Kurven laut angesagt. So viel Unterstützung außerhalb des eigenen Teams hatte ich noch nie zuvor erfahren, und ich bin unglaublich dankbar für diese 40 km.

Mit perfekter Verpflegung ging es zurück nach Kitzbühel, wo der abschließende Anstieg auf das Kitzbüheler Horn auf uns wartete. Leider funktionierte meine Gruppe nicht besonders gut, da sich jeder für den Horn-Anstieg "schonen" wollte. Nach einem Schluck Cola von Alex nahm ich die letzten 800 Höhenmeter in Angriff. Auch hier fühlten sich meine Beine zu Beginn noch gut an. Nur mein Rücken schmerzte aufgrund des Sturzes, und das Aufstehen aus dem Sattel bereitete Schmerzen. Die letzten 300 Höhenmeter mit einer maximalen Steigung von 22,3 % verlangten mir alles ab. Das Einzige, was mich beruhigte, war die Tatsache, dass um mich herum jeder genauso litt. Schließlich erreichte ich nach 7 Stunden und 16 Minuten, begleitet von Kamera und Auto, das Ziel als erste Dame (insgesamt Platz 40) und setzte damit einen neuen Streckenrekord. Nach kurzen Interviews und zahlreichen Bilder konnte ich dann endlich mit Alex und meinen Eltern bei einem Bier auf den Sieg anstoßen.

Was bleibt, ist ein Gefühl unbeschreiblicher Dankbarkeit. Dankbarkeit für alle, die von zu Hause aus mitgefiebert haben, für all die Glückwünsche, für jene, die mich die gesamte Saison über bei zahlreichen Trainingskilometern begleitet haben. Ein besonderer Dank geht an Boris, der mich besonders in diesem Jahr zu einer besseren/schnelleren Athletin gemacht hat, an meine Eltern, die mich im Ziel herzlich empfangen und sich um meine Verletzungen gekümmert haben, an die Unterstützung entlang der Strecke, insbesondere an meinen Bruder und Tami, die an diesem Tag ein Sprinttraining absolvierten, um mir die Flaschen zu reichen. Und nicht zuletzt danke ich Alex, der nicht nur einen Tag vor dem Rennen mein Rad rennbereit gemacht hat, sondern am Renntag Unglaubliches geleistet hat. Vielen lieben Dank!

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